Genossenschaften in Deutschland im 19. Jahrhundert

Genossenschaften in Deutschland im 19. Jahrhundert
Genossenschaften in Deutschland im 19. Jahrhundert
 
Mit der technischen Fortentwicklung in der industriellen Revolution und der dazu parallel laufenden unbeschränkten Entfaltung des freien Wettbewerbs war die Masse der »kleinen Leute«, der wirtschaftlich Schwachen gegenüber dem Druck der Unternehmer, der Fabrikherren und Großgrundbesitzer, außerordentlich ins Hintertreffen geraten. Handwerker, kleine Gewerbetreibende, aber auch Bauern gehörten neben der Masse der Lohnabhängigen zu dieser Schicht.
 
Um dieses wirtschaftliche und soziale Ungleichgewicht einigermaßen auszugleichen, entstand um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Genossenschaftsbewegung. Sie war der Versuch, den im Mittelalter in Städten und Dorfgemeinschaften bewährten solidarischen Genossenschaftsgedanken wieder zu beleben.
 
Die ersten Genossenschaften bildeten sich aus Selbsthilfeorganisationen des Handwerks und der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe, aus Vereinskassen und Wohltätigkeitsvereinen heraus. Ihre Väter waren vor allem der Sozialpolitiker und spätere Reichstagsabgeordnete der Deutschen Fortschrittspartei Hermann Schulze-Delitzsch, Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Wilhelm Haas. Raiffeisen und Haas bemühten sich vor allem um Hilfsvereine im ländlichen Bereich und lehnten dabei auch Finanzhilfen des Staates nicht ab. Schulze-Delitzsch dagegen setzte sich für das Kleingewerbe ein und bevorzugte das Prinzip der Selbsthilfe. 1865 bewirkte Schulze-Delitzsch die Gründung der deutschen Genossenschaftsbank und konnte 1867 das preußische Genossenschaftsgesetz veranlassen. Doch blieben die Genossenschaften zunächst relativ schwach; erst als mit dem Reichsgesetz über die Genossenschaften von 1889 eine Beschränkung der Haftpflicht eingeführt wurde, konnten sich die Genossenschaften entwickeln. Mit dem Gesetz von 1889 wurde auch die Zwangsrevision der Genossenschaften eingeführt, die über die ordnungsgemäße Geschäftsführung wachte.

Universal-Lexikon. 2012.

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